still.LEBEN.migration (2017)
Gerhard Kowalds fotografische Arbeiten beschäftigen sich mit dem
aktuellen zeitgenössischen Phänomen der Migration in Europa.
„Ich fotografiere Habseligkeiten von vorübergehend verlassenen Bettlerplätzen und Lagerplätzen. Ich fotografiere schmutzige Sitzunterlagen, Decken, Kleidungsstücke, verschlissene Schachteln von Lebensmitteldiskontern und verbeulte Kaffeebecher.
Ich fotografiere vergilbte und zerknitterte Fotos von jungen Familien hinter Klarsichthüllen in improvisierten Rahmen. Ich fotografiere umherliegende Rucksäcke, Plastiktaschen und Getränkeflaschen im Auwald nahe dem Grenzfluss.
Ich fotografiere sich am Laubbodenzersetzendes Toilettenpapier als abstrakte Komposition.
Ich achte beim Fotografieren schmutziger Matratzen unter der Eisenbahnbrücke auf das Licht, den Bildaufbau, auf Kontraste und Strukturen und beobachte, was die formalen Elemente mit dem Motiv machen, welche Wechselwirkungen sich ergeben.
Ich wähle eine fotografische Perspektive, um persönliche Gegenstände von Menschen, die kaum eine Perspektive haben, auf der Straße zu fotografieren.
Das Licht, das die liegen gelassenen Gegenstände am Waldboden so pittoresk hervortreten lässt, hat mit dem Licht, das deren ehemalige Besitzer aus ihren besseren Tagen kennen, nichts zu tun.
Ich fühle mich beim Fotografieren nicht wohl, wenn ich die Hinterlassenschaften von Menschen, die ihre Lebenswelten verlassen mussten, zu meinem Bild mache. Trotzdem wähne ich mich auf diese Weise den Menschen näher.“
Ausstellungsansicht, Ehem. Gärhallen, Obertrum a. See, 2017